Die Glasmachervergangenheit in der Region vom Lausitzer Gebirge

 
Geschrieben von Jaroslav Rež, in Zusammenarbeit mit Michal Gelnar

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Inhalt:


Einleitung

      Das Glasgewerbe hat im Lužické hory /Lausitzer Gebirge/ eine mehr als 700 Jahre andauernde Tradition. Während dieser langen Geschichte gab es Perioden, wo sich diese unauffällige Region in Nordböhmen sehr bedeutend in die Weltgeschichte dieses Gewerbes eingetragen hat. Eine intensivere Forschung wurde hier seit der Mitte der 60er Jahre von Václav Sacher aus dem Glasmuseum in Nový Bor /Haida/ durchgeführt. An seine Tätigkeit hat die junge und mittlere Generation angeknüpft.

Mittelalterliche Glasindustrie

      Das Lausitzer Gebirge war in der Periode des frühen Mittelalters, ähnlich wie andere tschechische Grenzgebirgsketten ein unbesiedelter Urwald. Dank den Holzvorräten, anwendbar als Brennstoff und als Rohstoff, wurde die Glasproduktion für die späteren Besitzer dieses Gebietes eine geeignete Art und Weise, wie man diese menschenlosen Flächen benutzen konnte. Durch das Lausitzer Gebirge zieht sich eine wichtige geologische Störung, genannt "Lausitzer Bruch", wo sich teilweise Quarzadern befinden, zerkleinerter Quarz wurde als einer der Grundrohstoffe für Glasschmelzen benutzt. Die ältesten mittelalterlichen Glasproduktionsstätten wurden also gerade in den Orten mit genügenden Rohstoffen gegründet. Nach Ausschöpfung vom Holz wurde dann eine neue Stätte etwas weiter gegründet. Eine mittelalterliche Glashütte wechselte also während einiger Jahre ihrer Existenz mehrere Lagen. Es wird vorausgesetzt, dass die Glasmacheraktivität im Lausitzer Gebirge absichtlich der späteren Dorfkolonisierung vorangegangen ist. Einige Dörfer wurden direkt auf den früher durch Hütten gerodeten Flächen gegründet, es sind Drnovec /Kleingrün/, Trávník /Kratzhort, Grosshart, Glasert/ oder Horní a Dolní Světlá /Ober- und Niederlichtenwald/.

      Die mittelalterlichen Produktionsstandorte der Glasmacher erscheinen auf dem Gebiet unter der Verwaltung des Stammes von Ronnau, später ihres Zweiges Berka von Lipá (von Dubá). Dadurch wird der mögliche Zusammenhang der Anfänge der späteren Glasproduktion gerade mit diesem bedeutenden böhmischen Stamm angedeutet. Dem Stamm von Ronnau gehörten in dieser Zeit umfangreiche Gebiete von Nordböhmen bis tief nach Süden, einschließlich der Gebiete, die sich in heutigem Deutschland befinden. Die Glasmacheraktivität wurde aber bisher nur auf der tschechischen Seite des Lausitzer Gebirges und in seiner Umgebung nachgewiesen. Auf der sächsischen Seite, wo das Lausitzer Gebirge die Bezeichnung Zittauer Gebirge trägt, fehlen aber Beweise über die mittelalterliche Glasmachertätigkeit, obwohl sie hier vorausgesetzt wird. Eine Forschung wurde hier bisher nicht durchgeführt.
      Die ältesten Standorte der Glasmacher wurden im Herzen des Lausitzer Gebirges gefunden, auf südlichem Bergfuß von Bouřný /Friedrichsberg/, 703 m ü.d.M. und auf östlichem Bergfuß des Hügels Velký Buk /Groß Buchberg/, 735 m ü.d.M., in der Nähe des Einzelhofes Nová Huť /Neuhütte/, südlich von der Gemeinde Svor /Röhrsdorf/. Sie werden um 1250 datiert. Heute handelt es sich um die ältesten bekannten Standorte der Glasmacher in der Tschechischen Republik.

Um 1300 werden andere Standorte datiert, in dem Tal südlich von der Gemeinde Lesné /Innonzenzidorf/ unter Pěnkavčí vrch /Finkenkoppe/, 792 m ü.d.M. Ein anderes Produktionsgebiet aus dieser und jüngerer Zeitperiode befand sich in der Umgebung der Gemeinden Dolní a Horní Světlá /Nieder- und Oberlichtenwald/. Aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts sind bekannt die Standorte in Doubice /Daubitz/ und seiner Umgebung in dem westlichen Teil des Lausitzer Gebirges, die traditionell als Vorläufer der heutigen Glashütte in Horní Chřibská /Ober Kreibitz/ bezeichnet werden, die für die älteste Hütte im Betrieb in Mitteleuropa gehalten wird. Das angeführte Datum ihrer Gründung 1414 ist rein symbolisch, weil wir das genaue Datum nicht kennen. Die mittelalterlichen Hütten standen auch in weiteren Gemeinden, z.B. Trávník /Glasert/, Drnovec /Kleingrün/, Kytlice /Kittlitz/, früher Falknov /Falkenau/, weiter dann in der Gemeinde Rozhled /Tollendorf/ unter dem Jedlová /Tannenberg/, unweit von Vlčí Hora /Wolfsberg/ oder von Rybniště /Teichstatt/ in dem südlichen Teil dieser Region. Die prosperierende Glasmacherei wurde durch die Wartenberger Fehden gegen die Oberlausitzer Sechsstädte, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts unterbrochen.

      Manche mittelalterlichen (und auch späteren) Glashütten werden zur Zeit immer nur noch vorausgesetzt, z.B. nach den erhaltenen Ortsnamen, indirekten Quellennotizen usw. Ihre genaue Lokalisierung im Terrain fehlt. An den Stellen der untergegangenen Hütten, z.B. in den Wäldern, Bächern oder am Ort, wo die Erdoberfläche angegriffen wird, kann man bis heute winzige Glasschmelzen finden, verschiedene Bruchstücke der angewandten oder technischen Keramik. Gerade solche Spuren können zur Entdeckung einer der bisher nicht gefundenen Glashüttenlokalität führen.

Rennaissance

      In der Rennaissance kommt es unter dem Einfluss der venezianischen Glasindustrie zur Vervollkommnung der Produktionstechniken und zur Entwicklung der Veredelungstechniken - vor allem der Malerei mit Emailfarben. Die Glashütten werden nicht zu Holzvorräten verschoben, sondern haben schon ihren festen Standort mit dem notwendigen wirtschaftlichen Hinterland. Neben der schon bestehenden Glashütte in Horní Chřibská /Ober Kreibitz/, geleitet damals von der alten Glasmeisterfamilie Friedrich wurde im Jahre 1530 eine neue Hütte von Paul Schürer in Falknov /Falkenau/, heute Kytlice /Kittlitz/ gegründet. Paul Schürer kam nach Falknov aus der sächsischen Seite des Erzgebirges aus dem Städtchen Aschberg, heute Ansprung. Er stammte aus einer Familie, die bald zu einer der berühmtesten Glasmeisterfamilien in Böhmen wurde. Einige Jahre später leitete die Glashütte unweit der Gemeinde Krompach /Krombach/ sein Bruder Georg Schürer (vor 1549). Diese Glashütten wurden seit den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts auch zum Zentrum der Glasmalerei mit eingebrannten Emailfarben. Eine neue Unterbrechung in der Glasproduktion war der Dreißigjährige Krieg. Bald danach kommt eine neue Periode des Aufschwungs der Glasindustrie in der Zeit des Barocks.

Barock

      Das Barock bedeutete für die Glasproduktion in dem Lausitzer Gebirge eine Etappe der höchsten Blütezeit und Prosperität. Zum Schwerpunkt dieser Produktion wird aber gegenüber früheren Epochen vor allem die Glasveredelung. Neben dem Schleifen und der Malerei kommt jetzt vor allem das Gravieren zur Geltung. Die nordböhmischen Glasveredler werden in der Zeit des Barocks für ihre Qualität zu den am meisten gefragten in den böhmischen Ländern und im Ausland. Eine grundsätzliche Bedeutung für den Erfolg der Glasindustrie des Barocks in Böhmen hat aber der vervollkommnete Glashandel. Das Ausgangszentrum befand sich gerade in den Gebieten von Kamenický Šenov /Steinschönau/ und Nový Bor /Haida/, woher das Glas fast in ganz Europa exportiert wurde und woher es auch die Märkte in Übersee und im Orient eroberte.

      Im 17. Jahrhundert kommt es auch zur Trennung der Hüttenurproduktion von der eigenen Glasveredelung. Die Handwerker haben den Rohstoff aus den Hütten abgenommen und zu Hause verziert. Für die Bewohner der kleinen Berggemeinden mit bescheidenen Erträgen in der Landwirtschaft bedeutete es eine wichtige Quelle der Ernährung. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts werden unter Förderung der einheimischen Obrigkeit die ersten Zunftvereine der Glasveredler gegründet. In dieser Zeit verbreitet sich auch die Kenntnis der Produktion einer neuen Art der hochwertigen Glasmasse, genannt böhmisches Kristall, das gerade für die Veredelung durch Schleifen und Gravieren geeignet ist. Um 1700 erreicht das gravierte Glas aus Nordböhmen schon ein sehr hohes Niveau und seine Qualität und den Absatz hält sich während der ganzen ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

      Von den Glashütten des Barocks war am bedeutendsten die Rollhütte auf dem südlichen Bergfuß von Jedlová /Tannenberg/ (774 m ü.d.M.), betrieben von Johann Kaspar Kittel etwa seit 1724. Diese prosperierende Hütte unter der Leitung ihres geschickten Betreibers verhalf vor allem der Entwicklung des Glashandels. Die Glashütte ist nach dem Brand vor der Mitte des 18. Jahrhunderts untergegangen. Eine weitere Hütte in der Gemeinde Juliovka u Mařenic /Juliusthal bei Mergthal/ wurde von dem Besitzer der Herrschaft von Zákupy /Reichstadt/, Julius Franz Herzog von Sachsen-Lauenburg im Jahre 1687 an der Kreuzung der Wege zwischen Mergthal und Krompach /Krombach/ gegründet. Wie in einer der ersten wurde hier das böhmische Kristall und vielleicht auch glasgefärbtes Rubinglas eingeschmolzen. Die Hütte ist am Anfang des 18. Jahrhunderts untergegangen.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts kommt es im Hinblick auf die Tätigkeit der Glashütten zu Holzverlusten in hiesigen Wäldern, was sich in der Preiserhöhung des Holzes widerspiegelt. Die meisten Hütten gehen also in diesem Jahrhundert unter und die Produktion orientiert sich vor allem auf die Veredelung des Glases, das aus anderen Regionen Böhmens und Mährens importiert wird. Eine Ausnahme sind nur die Glashütten in Horní Chřibská /Ober Kreibitz/ und eine neu gegründete Hütte, genannt später Nová Huť /Neuhütte/. Diese wurde im Jahre 1750 von dem Glasmeister Jan Kryštof Müller innerhalb der Wälder an Stelle des heute gleichnamigen Einzelhofes, südlich von der Gemeinde Svor /Röhrsdorf/ gegründet. Nur diese zwei Hütten überlebten bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, wo in dieser Region der Holzmangel durch einen anderen Brennstoff, die Kohle, ersetzt wurde.

      Ganz eigenartig in dieser Zeit war die Organisation des Glashandels. Die bisherigen Wanderungen der Einzelpersonen wurden aufgehoben. Die reicheren Bauern und Handwerker aus den Vorgebirgsdörfern gründeten schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Handelsvereine, s.g. Kompanien. Durch einen Vertrag gebunden organisierten und finanzierten sie effektiver den Einkauf und Transport des Rohstoffes. Sie sicherten auch seine Veredelung bei einheimischen Handwerkern, gewöhnlich nach dem Wunsch des Kunden, und später organisierten sie den Transport und Verkauf der fertigen Ware auch im Ausland. Die Handelskompanien gründeten auch Filialen, s.g. Faktorien in den meisten größeren Städten und Häfen Europas und in Übersee. Das Ausgangszentrum dieses Unternehmens waren zuerst die Dörfer in der Umgebung von Polevsko /Blottendorf/ und seit 1757 Nový Bor /Haida/, in diesem Jahr zur Stadt erhoben. Die Kompanien überlebten bis ins 19. Jahrhundert. Für diese Region und die böhmische Glasindustrie gewannen sie den Weltruf.

      Die Prosperität der Glasindustrie des Barocks zeigt auch die Mannigfaltigkeit der Produktionszweige. In der Mitte des 18. Jahrhunderts ist unter der Leitung von Josef, Grafen von Kinský auf seiner Herrschaft in Sloup /Bürgstein/ die Manufaktur auf die Spiegelproduktion geöffnet, die in der Qualität mit den venezianischen oder Pariser Spiegeln vergleichbar waren. Ein weiterer Zweig, der sich seit dem 18. Jahrhundert entwickelt, ist die Kronleuchterproduktion, die während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht nur Lusterproduzenten aus der benachbarten Herrschaft Bürgstein übertroffen hat, sondern auch die Lustermacher aus Nordostböhmen. Die Kronleuchterproduktion überlebt in dieser Region bis heute. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kommt es aber zur Krise. Es ändert sich der Geschmack, das Interesse an graviertem Glas sinkt, es kommt zum Anstieg des englischen geschliffenen Bleiglases auf die Weltmärkte und die hiesigen Glashändler haben sich nicht rechtzeitig an diese Verhältnisse angepasst. Das sind die Hauptursachen dieser Lage. Später kommt dazu noch die napoleonische Blokade der Märkte in Übersee. Die besten Handwerker ziehen ins Ausland, die anderen produzieren meistens billiges Glas für die breitere, vor allem ländliche Bevölkerung. Nur ein Teil arbeitet an den Aufträgen des goldbemalten Milchglases für Orient.

Glas im 19. Jahrhundert

      Die Krise wird erst in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts unterbrochen, wo es nach dem Friedensvertrag 1815 zur Freimachung der Auslandsmärkte und zur neuen Konjunktur kommt. Es steigt die Vorliebe am farbigen Glas. In den böhmischen Ländern beginnt man mit der Entdeckung von neuen farbigen Glasmassen und den Veredelungstechniken zu experimentieren. Nordböhmen trägt zu diesen Innovationen vor allem dank der Persönlichkeit des Glastechnologen Friedrich Egermann (1777-1864) bei. Egermann, ausgelernter Glasmaler, hat allmählich in seinem Atelier in Polevsko /Blottendorf/, später in Nový Bor eine Reihe von Techniken entdeckt und vervollkommnet, wodurch er zur Belebung der hiesigen Glasproduktion und zur Exportstärkung beigetragen hat. Zu seinen ersten Entdeckungen im Bereich des gemalten Glases gehört mattiertes, s.g. Achatglas, kombiniert mit feiner Malerei und seit 1824 Biskuit- und Perlmuttemail. Im Jahre 1818 wird in die Produktion auch die Gelbbeize eingeführt. In den 20er Jahren kommt Egermann mit s.g. Lithyalin - einem neuen Typ vom Farbglas, an Marmor erinnernd, das später erfolgreich auf dem ganzen Gebiet erzeugt und verziert wurde. Die bedeutendste Entdeckung war 1834 die Rotbeize. Die vor allem mit Schleifen und Gravieren dekorierte Beize wird zu einer von beliebten und charakteristischen Techniken der Region von Nový Bor. Egermanns Atelier arbeitete mit den besten Glasmalern seiner Zeit zusammen und durch sein Beispiel verhalf der Erhöhung des Niveaus des gemalten Glases in der Region von Nový Bor. Er selbst war eine anerkannte Persönlichkeit und obwohl sich seine Entdeckungen rasch verbreitet haben, gehörte seine Werkstätte in Nový Bor zu den erfolgreichsten im Land.

      Im 19. Jahrhundert kehrt auch die Beliebtheit des gravierten Glases zurück. Die Graveure in der Umgebung von Nový Bor und Kamenický Šenov erreichten ein ausgezeichnetes Niveau und manche feierten Erfolge auch im Ausland. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beteiligen sich dann die besten Meister an der berühmten Raffinerie des Wiener Unternehmers Ludwig Lobmeyr, die in Kamenický Šenov gegründet wurde. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wird die hiesige Produktion fortgesetzt, ohne Rücksicht auf den sich ändernden Geschmack, in den traditionellen Techniken aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wie die Veredelung durch verschiedene Malertechniken, Beizen, Schleifen und Gravieren sind. Die nordböhmische Glasindustrie verliert also ihre privilegierte Stellung und den Einfluss auf die Glasindustrie in der Welt.

      In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstehen erste Glasschulen. Die Glasschule, die 1856 in Kamenický Šenov gegründet wurde, wird für die älteste in Europa gehalten. Etwas später, im Jahre 1870, entsteht eine ähnliche Schule in Nový Bor, die an das untergegangene piaristische Kollegium anknüpfte, wo schon seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts die pädagogische Tätigkeit der Mitglieder des piaristischen Ordens an die Ökonomik und das Glasfach orientiert wurde. Beide Schule haben während ihrer Existenz also neue künstlerische Ansichten an das Glas erweitert und so der Orientierung der hiesigen Industrie verhalfen. In beiden Schulen wird bis heute unterrichtet. Für die Erhaltung der Glastradition in der Region sorgen die Glasmuseen in Nový Bor und Kamenický Šenov. Das Museum in Nový Bor wurde schon im Jahre 1893 aus der Sammlung der einheimischen Glasmeister und Händler gegründet. Heute kann man im Glasmuseum, das sich auf dem Platz befindet, eine reiche Sammlung von Glas sehen, das durch hiesige traditionelle Techniken veredelt wurde. Das Museum in Kamenický Šenov entstand zwischen den Weltkriegen. Es konzentriert sich auf die Dokumentation und Präsentation des geschliffenen und vor allem gravierten Glases in dieser Region und auf die Produktion der Wiener Firma Lobmeyr. Dieses Glasmuseum veranstaltet jedes zweite Jahr internationale Symposien des gravierten Glases.

Industrielle Expansion der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

      Seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde in dieses Gebiet die Eisenbahn gebaut, die vor allem neue Möglichkeiten bei der Beheizung der Glasöfen bringt, und zwar durch Kohlevergasung. Die neuen Technologien haben die tüchtigen Unternehmen ausgenutzt und für die Deckung des Bedarfs der einheimischen Veredler wurde hier eine Reihe von neuen Glashütten gegründet. Es entsteht also ein großartiger Aufschwung der Hüttenurproduktion und der Gründung der Glashütten im Lausitzer Gebirge und seinem Vorgebirge, der erst durch die Krise in den 30er Jahren und den nachfolgenden Kriegsjahren des 20. Jahrhunderts beendet wird. Nach dem Krieg wurden viele von diesen Hütten nicht mehr erneut.

      Vier neue Glashütten, die gewöhnlich nach den Ehefrauen der Gründer benannnt wurden, entstanden in Falknov-Kytlice /Falkenau-Kittlitz/: 1874 die Hütte Augusta, 1893 Marie und Tereza (die in der heutigen Gemeinde Mlýny /Hillemühle/), 1900 Rudolf. Keine von diesen Hütten hat bis heute überlebt. Weitere Glashütten wurden in Kamenický Šenov gebaut. Es sind die Hütte Rückl im Jahre 1886 - heute Aktiengesellschft Severosklo, die Glashütte der Gebrüder Jílek im Jahre 1905 und 1908 die Hütte in Prácheň /Parchen/, die erste existiert bis heute. Die erste Glashütte in Nový Bor war im Jahre 1874 heute schon untergegangene Hütte Helena. Die weitere war eine Schulhütte für die Glasschule, im Betrieb seit 1910. Heute dient sie wieder für die Bedürfnisse der Schule. 1913 entsteht die Hütte Flora, die heute der Firma Egermann GmbH gehört. 1893 wurde die bis heute betriebene Hütte der Firma Rückl in Skalice u České Lípy /Langenau bei Böhmisch Leipa/ gegründet. In Polevsko /Blottendorf/ entsteht 1900 die Hütte Anna (untergegangen) und 1907 Klara, bis heute tätig. 1872 wurde die Glashütte Tereza auch in Svor /Röhrsdorf/ gegründet und im Jahre 1907 die Hütte Anna in Dolní Prysk /Unter-Preschkau/. Heute ist sie im Besitz der Firma Preciosa AG. Von den 18 Glashütten, die seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts gegründet wurden, überlebten bis 1999 nur neun, mit Ausnahme der stets arbeitenden Hütte in Horní Chřibská /Ober Kreibitz/.

Gegenwart

      Ein weiterer Schlag für die hiesige Glasindustrie nach dem zweiten Weltkrieg war die Aussiedelung der deutschen Bevölkerung, die das Abströmen von vielen qualifizierten Handwerkern und Arbeitskräften bedeutete. Die Glasgemeinden in den Bergen - traditionelle Zentren der einheimischen Veredler - wurden fast entvölkert. Ihre Prosperität ist nicht mehr zu erneuern und in der Zukunft dienen diese Gemeinden als Zentren für Erholung und Touristik. Ein Beispiel ist gerade Kytlice /Kittlitz/. Nach dem Sieg der kommunistischen Partei kommt es im Jahre 1948 zur Verstaatlichung der gebliebenen Betriebe, die in Nationalbetriebe Borské sklo Nový Bor und Luster Kamenický Šenov zusammengeschlossen wurden.

Seit den 60er Jahren beginnt eine neue Entwicklung der Glasindustrie. Im Geiste der damaligen Wirtschaft wurde schon im Jahre 1967 ein Großbetrieb auf die Produktion und Veredelung des Glases Crystalex in Nový Bor erbaut und fünf Jahre später ein ähnlicher Betrieb auf die Leuchtenproduktion in Kamenický Šenov (heutige Firma Preciosa Lustry AG). Es entwickelt sich die Maschinenproduktion und seit den 70er Jahren wurde in Crystalex automatische Produktion des Trinkglases eingeführt, dessen erfolgreiche Serien bis heute hergestellt werden. Eine Prestige der hiesigen Glasindustrie bringen seit den 80er Jahren internationale Glassymposien - IGS Nový Bor, großzügig durch Crystalex organisiert. Die Ergebnisse werden in der Dauerausstellung auf dem Schloss Lemberk /Lämberg / bei Jablonné v Podještědí /Deutsch Gabel/ präsentiert.

      Die damalige tschechoslowakische Glasindustrie wird seit der zweiten Hälfte der 50er Jahre auf den Weltausstellungen vorgeführt. Die Erfolge erreichte das tschechoslowakische Glas z. B. auf den Ausstellungen in Mailand, auf EXPO 58 in Brüssel, in Sao Paolo in Brasilien, in Delhi in Indien, in New York und Corning in Amerika, auf EXPO 67 im kanadischen Montreal und EXPO 70 in Osaka in Japan. An jeder Exposition wurde auch das in Nový Bor von vielen bedeutenden Glaskünstlern geschaffene Glas beteiligt.

      Nach der Wende 1989 kommt es zu einem neuen Aufschwung des Privatunternehmens und es kommt auch zu Veränderungen in den Betriebsstrukturen. In der Umgebung von Nový Bor erscheinen wieder die Hauswerkstätten der Maler, Graveure und Schleifer, wie in den früheren Zeiten. Eine Neuheit sind kleine Schmelzöfen. Sehr modisch wird die Produktion von Repliken und Imitationen des historischen Glases. Ihre unvertretbare Rolle spielen immer beide Glasschulen mit Lehranstalten in Nový Bor und Kamenický Šenov. Es entstehen auch einige Galerien, vor allem in Nový Bor. Ein hohes gewerbliches Niveau halten die Glasstudien, vor allem die berühmte künstlerische Glashütte AJETO in naheliegendem Dorf Lindava /Lindenau/.

      Die Glasindustrie im Lausitzer Gebirge lebt weiter. Sie war und ist immer ein Werk von geschickten und fähigen Leuten, die diese malerische Gegend in Nordböhmen bewohnen. Wir glauben, dass es so auch weiter geht.

Anhang

      Allen Interessenten kann ich die angeführte Literatur empfehlen, größtenteils aber in tschechischer Sprache. Bemerkenswert ist vor allem die Landkarte des Lausitzer Gebirges 1:75 000 aus dem Jahre 1996 (1. Auflage), herausgegeben von Geodesia AG mit bezeichneten Lagen von allen bekannten, vorausgesetzten oder nur vermutlichen Glashütten im Lausitzer Gebirge, incl. mittelalterliche. Empfehlen kann ich auch drei Artikel von Michal Gelnar, die im landeskundlichen Sammelband Bezděz erschienen (Nr.4/1996, 6/1997, 8/1999), aus denen auch diese Arbeit schöpft. Die Artikel enthalten ein deutsches Resume. Kleinere Erwähnungen in Deutsch, bzw. Englisch kann man direkt in den Glasmuseen in Nový Bor und Kamenický Šenov gewinnen. Zum Schluss bemerke ich, dass die Vergangenheit der Glasindustrie in dieser Region bei weitem nicht abgeschlossen ist und besonders aus der Epoche des Mittelalters bis zum 18. Jahrhundert bleibt noch eine ganze Reihe von vermutlichen Standorten der untergegangenen Hütten zu entdecken. Weil man die Überreste der Glasmachertätigkeit in den Wäldern und Gemeinden des Lausitzer Gebirges fast überall finden kann, bitten wir also alle um Mitteilung von jedem Fund (s.Kontakt). Besonders wertvoll wäre eine solche Entdeckung auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands im Zittauer Gebirge, wo nach unseren Informationen noch kein Standort der mittelalterlichen Glashütte gefunden wurde, obwohl man ihn hier voraussetzen kann. An der Enthüllung der Vergangenheit dieser Region können sich auch Sie beteiligen, dank dieser modernen Form der Kommunikation. Wir begrüßen alle Mitteilungen, Fragen oder Anlässe, die zur Vervollkommnung dieser Arbeit beitragen könnten.

Januar 2000, Nový Bor /Haida/ Jaroslav Rež
in Zusammenarbeit mit Michal Gelnar
 

Literatur

1996: Turistická mapa Lužické hory 1: 75000; Geodézie ČS a.s., 1. vydání.
Bárta, J., 1931: Životopis Jiřího Františka Kreybicha, Sklářské rozhledy, roč.VIII, č.3-5.
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Die Bilddokumentation mit Bewilligung der Inhaber benutzt:
Crystalex a.s. Nový Bor - Abt. Propagation
Glasmuseum Nový Bor
Staatl. region. Archiv Litoměřice, Zweigstelle Děčín
Bezirksarchiv Česká Lípa

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Über die Autoren

 
Jaroslav Rež Nový Bor /Haida/, Absolvent der kunstgewerblichen Glasschule in Kamenický Šenov /Steinschönau/, jetzt Student der westböhmischen Universität in Plzeň /Pilsen/.
e-mail: j.rez@post.cz
Michal Gelnar Nový Bor /Haida/, externer Pädagoge an der Glasschule und der Höheren Glasschule in Nový Bor /Haida/, Autor von einigen Studien aus dem Bereich der Glasindustrie, v.a.im Lausitzer Gebirge.
P.O. Box 92, 473 01 Nový Bor, CZ

 
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