Horní Kamenice
(Ober Kamnitz)

Häuser am Ufer des Flusses Kamenice.
Foto: Jiří Kühn.
Horní Kamenice (Ober Kamnitz) ist nahtlos an den östlichen Rand von Česká Kamenice (Böhmisch Kamnitz) angeschlossen. Es entstand am Rande des ursprünglichen Dorfes Kamenice, dessen zentraler Teil in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zur Stadt erhoben wurde. Die erste ausdrückliche Erwähnung von Horní Kamenice stammt aus dem Jahr 1416, aber wahrscheinlich wurde es bereits 1393 im Kamenicer Stadtbuch als „oben in dem Dorfe“ erwähnt. Die Siedlung gehörte zunächst zur Stadt und wurde 1648 schnell in das Dorf Dolní Kamenice (Nieder Kamnitz) eingegliedert. Damals hatte sie nur 17 Häuser. Es wuchs erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stark an. 1785 zählte Horní Kamenice bereits 79 Häuser und wurde 1849 zu einer eigenständigen Gemeinde, zu der der Ortsteil Fabeldörfel und der Weiler Vesnička (Füllerdörfel) hinzukamen, 1899 aber nach Dolní Prysk (Nieder Preschkau) eingemeindet wurde.
Fabeldörfel war eine Häusergruppe, die um 1840 an der Hauptstraße nach Nový Bor (Haida) an der Grenze zwischen Horní Kamenice und Kamenický Šenov (Steinschönau) errichtet wurde. Sie wurde nach einem nahe gelegenen Hügel benannt. Ihr Teil, der sich im Kataster von Šenov befindet, wurde später im Volksmund Nový Svět (Neue Welt) oder Nová Amerika (Neu Amerika) genannt.

Haus Nr. 55 mit Mansarddach, das an der Straße nach Chřibská steht.
Foto: Jiří Kühn.
In Horní Kamenice gab es früher ein weit verbreitetes Fuhrwerkgewerbe, und viele Einwohner verdienten ihren Lebensunterhalt mit dem Spinnen und Weben von Stoffen oder der Veredelung von Glas. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts beschäftigten sie sich auch mit der Garnherstellung, der Leinenherstellung, der Strumpfherstellung und dem Bleichen von Garn und Fäden, wofür die umliegenden Wiesen bis 1819 genutzt wurden. Im 19. Jahrhundert entstanden im Dorf die ersten Fabriken. 1834-1835 baute Johann Georg Asten ein neues Gebäude für eine Glasraffinerie, aber noch vor 1840 wurde dort eine große Papierfabrik eröffnet. Ihr späterer Besitzer, Robert Fuchs (1854-1925), wurde 1915 in den Adelsstand erhoben und erhielt den Titel „von Robettin“. Im Jahr 1840 wurde im Ort die Gerberei von Raimund Schiffner gegründet. Etwa zur gleichen Zeit gründete Wenzel Böhm eine Baumwollspinnerei, die er später nach Dolní Kamenice verlegte. Die Obermühle, in der sich der spätere Komponist Antonín Dvořák von 1856 bis 1857 aufhielt, wurde bereits 1845 in eine Kunstwollspinnerei umgewandelt. Eine weitere Kunstwollspinnerei von 1847 wurde später in eine Spinnerei umgewandelt. Außerdem gab es eine Strumpfwirkerei. 1870 wurde die Obermühle stillgelegt und Franz Preidl baute an ihrer Stelle seine vierte Baumwollspinnerei. Im Jahr 1875 arbeiteten im Ort 41 Kugler, Graveure und Glasschneider.
Ab 1894 wurde das Dorf an das Wasserversorgungssystem in Českokamenice angeschlossen. Mit der Entwicklung der Industrie wuchs Horní Kamenice allmählich an und erreichte 1910 mit 1.197 Einwohnern seinen höchsten Stand. Im Jahr 1943 wurde es zusammen mit Dolní Kamenice nach Česká Kamenice eingemeindet. Am 1. Januar 2011 betrug die Einwohnerzahl von Horní Kamenice 617.
Im Zentrum des Ortes, an der Hauptstraße nach Chřibská (Kreibitz), stehen zwei Häuser unter Denkmalschutz. Von besonderem Wert ist das spätbarocke Faktorenhaus Nr. 55 mit Ziegelerdgeschoss, Fachwerkgeschoss und Halbmansardendach, dessen steinernes Eingangsportal ein Hausschild mit den Initialen F B und der Jahreszahl 1810 trägt. In der Nachbarschaft befindet sich das zweigeschossige Fachwerkhaus Nr. 54 mit Umgebinde und holzgetäfeltem Pavillon, dessen ursprünglicher Charakter leider durch Umbauten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstellt worden ist.
Am südlichen Rand der Siedlung, nahe der Bahnlinie, befindet sich der interessante Sandsteinfelsen Hrnčíř ("Töpferstein"), neben dem eine in den Fels gehauene Nischenkapelle steht. Im Tal oberhalb der Siedlung befinden sich die Überreste eines alten Wassergrabens mit einem Aquädukt aus dem Jahr 1872, das Wasser für die örtliche Fabrik von Christian Kreibich zur Herstellung von Kunstwolle liefern sollte. Das einbogige steinerne Aquädukt, das den Fluss Kamenice überbrückt, ist seit dem 18. August 2018 ein geschütztes Kulturdenkmal.

Eine in den Fels gehauene Kapelle am südlichen Rand des Ortes.
Foto: Jiří Kühn.

Aquädukt über das Flussbett der Kamenice.
Foto: Jiří Kühn.