Von alten Grenzsteinen

Der Lausitzer Gebirgskamm bildete seit jeher eine natürliche Grenze. Das nördlich gelegene Gebiet um Zittau gehörte zwar auch zu Böhmen und wurde von der Prager Diözese verwaltet, es nahm aber aufgrund seiner geographischen Lage immer eine Sonderstellung ein. Die Grenze, die in grauer Vorzeit inmitten des Urwaldes verlief, war also eine innere Grenze Böhmens. Der Grenzverlauf hatte einen ganz anderen Charakter als es heutige politische Grenzen haben. Die Herrschaftsbesitze der einzelnen Adeligen waren durch keine "Grenzlinien" im heutigen Sinne getrennt, sondern reichten im allgemeinen bis dorthin, wo die Macht des einen Burgherren aufhörte und die des anderen anfing. Die Streitigkeiten im Grenzbereich wurden nicht selten durch kriegerische Auseinandersetzungen gelöst.1) Später wurden bei Grenzregelungen von den "Markscheidern" (Landvermessern) Landkarten angefertigt, deren Bestandteil ein Beschreibungsprotokoll oder eine Auflistung der Örtlichkeiten war, an denen die Grenze entlang lief. Der Grenzverlauf wurde entweder auf natürliche Weise bestimmt, z. B. durch Wasserläufe, oder er wurde durch Einkerbungen in Bäumen gekennzeichnet. Auch Felsblöcke oder einzelne aus dem Erdboden herausragende Steine konnten diese Funktion erfüllen.

Einen solchen natürlichen Grenzstein bzw. Grenzfelsen, bestehend aus mittelkörnigem weißgrauem Sandstein, finden wir nordwestlich der Lausche. Die Landesgrenze verfolgt den Hauptkamm des Lausitzer Gebirges vom Hochwald her über die Lausche immer in westlicher Richtung. An diesem Naturgrenzstein, der den Namen Dreiecker hat, schlägt die Grenzlinie aber plötzlich die nördliche Richtung ein, um im weiteren Verlauf den nach Sachsen hineinragenden Zipfel des Niederlandes abzugrenzen. Am Dreiecker berühren sich heutzutage der Böhmisch-Leipaer und Tetschener Bezirk, einst aber war es ein Grenzpunkt zwischen der Mühlstein-Reichstädter- und Tollenstein-Rumburger Herrschaft. Deshalb ist auf der einen Seite ein "RE" als Zeichen Reichstadts eingemeißelt, auf der anderen ein "R" als Zeichen der Herrschaft Rumburg und letztlich ein "Z", was Zittau bedeutet. Der Grenzfelsen erfüllte seine Funktion wohl schon im Jahre 1531, als es zu einer Grenzbereinigung zwischen dem Zittauer Land und der Schleinitzer Herrschaft gekommen war. Vierzig Jahre später zeichnete der Markscheider Georg Oeder einen genauen Plan der Tollensteiner Herrschaft, wo anstelle des Dreieckers die Bemerkung "Reinstein" zu finden ist. Eine nähere Bemerkung zu dieser Örtlichkeit ist in einem Grenzprotokoll vom Jahre 1604 enthalten. Damals dienten drei Kessel als Grenzzeichen, weshalb dieser Punkt früher "Die drei Kessel" oder "Der Dreischlag"2) genannt wurde. Am Dreieckerfelsen sind heutzutage sieben verschiedene Jahreszahlen eingemeißelt: 1657, 1679 (2x), 1697, 1719, 1731, 1783. Die erste Jahreszahl weist auf das Jahr zurück, in dem der Graf Pöttig und der Zittauer Stadtrat die Grenzen bei Rumburg, Warnsdorf und Waltersdorf3) regulieren und mit Rainsteinen kennzeichnen ließen. Bei der in den Jahren 1930/32 durchgeführten Neuberainung und Neuvermessung der sächsisch-tschechoslowakischen Landesgrenze ist auf diesen Naturstein ein neuer Granitgrenzstein mit der Ziffer 4 gesetzt worden. Er kennzeichnet den Hauptstein 4 im Landesgrenzabschnitt IV. Auf der Sachsen zugewendeten Seite des Grenzsteines ist der Buchstabe D, auf der tschechischen Seite ČS angebracht.
Eine neuzeitige Grenzbereinigung, die ich noch in Erinnerung habe, wurde nach 1970 durchgeführt. Bis zu dieser Zeit konnten noch alle Wanderer, die diesen Kammwegabschnitt begingen, einige historische Grenzsteine bewundern. Sie waren robust, mit künstlerisch ausgeführter Jahreszahl 1719 und den Initialen der beiden hier grenzenden Länder B (Böhmen) und S (Sachsen) geziert. Was für ein Unterschied im Vergleich zu den kleinen neuzeitigen Granitgrenzsteinen! Im Jahre 1977 wurden die Grenzsteine aus Sandstein von 1719 entfernt, an Ort und Stelle zerschlagen und durch neue kleinere Steine aus Granit ersetzt. Sie wurden mit den Buchstaben DDR (Deutsche Demokratische Republik) beschriftet. Dreizehn Jahre danach hörte dieser Staat auf zu existieren. Schade, dass ihn die ein Vierteljahrtausend alten Grenzsteine nicht überleben durften.

Die historische Entwicklung zeigt, dass die Naturgrenzsteine ihre Funktion aufgrund der neuen Bedürfnisse und Möglichkeiten der Staatsverwaltung nicht mehr erfüllen konnten und dass sie nach und nach durch gemeißelte Rainsteine ersetzt wurden. Nicht zuletzt spielte dabei die steigende wirtschaftliche Bedeutung des Waldes, die der immer größer werdende Holzbedarf der Bergwerke, Hütten und Eisenhämmer hervorrief, eine Rolle. Die neuen Grenzsteine verbreiteten sich schnell bei der Markierung der Grenzen zwischen einzelnen Ländern, Herrschaften oder anderen Einheiten. Sie hatten die verschiedensten Formen, oft waren sie reich verziert. Damit sie auch dauerhaft waren, wurden sie meistens robust und schwer ausgeführt. Man findet z. B. auch Grenzsteine, wo zur Abschreckung das Symbol eines Schwertes und einer abgehackten Hand abgebildet ist. Andere Steine tragen Wappenzeichen der angrenzenden Herrschaften.
Ein schöner Grenzstein von diesem Typ kennzeichnet bis heute eine Kreuzung von Waldwegen, etwa einen Kilometer nordwestlich von Finkendorf bei Deutsch-Gabel. Es laufen bei ihm aus drei Richtungen Forstgrenzsteine zusammen, die später gesetzt wurden. Einst stießen hier drei Herrschaften zusammen. Ihre Wappen und die Initialen der Herrschaftsbesitzer finden wir eingemeißelt in diesem dreieckigen Sandsteinblock, dessen Seiten etwa 60 Zentimeter betragen. Hinter dem Monogramm AMGZT verbirgt sich Adam Matthias Graf zu Trautmannsdorf, der Eigentümer von Grabstein. Die gekreuzten Ronen und die Buchstaben FAGB gehören Franz Anton Graf Berka, dem Herren von Deutsch-Gabel. Auf der dritten Seite finden wir neben der Jahreszahl 1680 auch das Wappen und die Initialen des Christoph Rudolf von Breda vom Schloss Lämberg.
Ob der Dreiherrnstein bei Finkendorf mit der folgenden Erwähnung des Historikers August Sedláček4) in Zusammenhang zu bringen ist, kann ich mit Sicherheit nicht behaupten. Danach "beendeten Christoph Rudolf von Lämberg gemeinsam mit seinen Brüdern im Jahre 1652 die dreißig Jahre lang dauernden Streitigkeiten wegen der Grenzziehung im Jonswald, hinter dem Ahrenberge und hinter dem Bärenborn, was mit Adam Matthias von Trautmannsdorf, dem Herren auf Grabstein ausgehandelt wurde." Es kann sein, dass der Dreiecker aus diesem Anlass, aber erst nachträglich nach Jahren gesetzt wurde. Wer weiß? Ist es denn überhaupt sinnvoll, nach alten Streitigkeiten der Feudalen zu forschen? Möge dies jemand Berufeneres tun. Mir reicht am Ende der Geschichte ein alter klumpiger Grenzstein.

Quellen

  1. Z. Fiala: Přemyslovské Čechy, S. 40. Praha 1975.
  2. Chronik des Johann Michel St. Georgenthal. Manuskript in der Pfarrei in St. Georgenthal.
  3. Alte Grenzsteine im Zittauer Gebirge. Mitteilungen des Landesvereines Sächsischer Heimatschutz. Band 23/1934. Heft 5-8.
  4. A. Sedláček: Hrady, zámky a tvrze Království Českého, 10. Teil, S. 281. Praha 1895.