Denkmäler am Wegesrand

Nicht wenige Denkmäler stehen an Weg- und Straßenrändern. Es ist nicht verwunderlich - denn dort warten die meisten Gefahren, seien es böse Menschen oder unvorhergesehene Begebenheiten.
Auch im Lausitzer Gebirge sind sie zu finden. So kam es zum Beispiel im Jahre 1833 zu einem Raubüberfall bei Böhmisch-Kamnitz am Wege vom Wüsten Schloss nach Hasel. Im Juli dieses Jahres ging der Leinweber Blumberg aus Hirschfelde diesen Weg. Unweit eines kleinen Bergsattels wurde er mitten im Wald heimtückisch vom bekannten Räuber Babinsky überfallen und ermordet. Dieser Delinquent gründete nach 1830 eine kleine Räuberbande, die Reisenden auf Wegen auflauerte. Ihr "Arbeitsfeld" erstreckte sich im breiten Raum zwischen Teplitz, Böhmisch Leipa und Melnik. Mitglied der Bande war auch Babinskys Geliebte Apolena Hoffman. Im Jahre 1832 wurde Babinsky mit ihr in Hühnerwasser verhaftet. Der Richter stellte bei der Kontrolle verdächtiger Personen falsche Pässe fest und dazu fielen der Hoffman auch noch zwei geladene Pistolen aus dem Gepäck. Nach einer kurzen Auseinandersetzung mit den Schergen wurden beide überwältigt und nach Prag gebracht. Nach vier Monaten Untersuchungshaft gelang es Babinsky zu flüchten und in seinem Räuberhandwerk fortzufahren. Damals kam es auch zu dem Überfall bei Böhmisch-Kamnitz.1) Später errichtete man hier am Wegesrand ein Denkmal. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es umgestürzt und es lag dort in Stücke zerbrochen und mit beschädigtem Text bis 1998. In diesem Jahre ließ es die Stadtverwaltung von Böhmisch-Kamnitz aufrichten, ein Teil der Inschrift blieb jedoch unlesbar. In der Chronik von Preschkau ist sie aber vollständig erhalten und lautet: "Als Opfer verruchten Raubmordes, bedeckt mit vielen Wunden, gab hier in der Nacht vom 4.-5. Juli 1833 Johann Gottfried Blumberg, Handelsmann aus Hirschfelde im Königreich Sachsen, 36 Jahre 3 Monate alt, seinen Geist auf." Am Sockel des Sandsteindenkmals ist weiter zu lesen: "Beweint von den Seinigen, betrauert von den besseren Menschen, ruht der Gemordete auf dem Friedhofe seiner Heimat." Die Mordstelle behandelten die Menschen früher nicht so stiefmütterlich wie heute. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts war es üblich, dass die Vorübergehenden einen grünen Reisigzweig vom nächsten Waldbaum auf die Blutstelle legten. Im Laufe der Zeit entstand ein Reiserhäuflein, das angezündet wurde. So wurde dem Ermordeten gleichsam eine Sühne geboten.2)
Welch rührender Brauch, ein Sühnefeuer an der Mordstelle anzuzünden, wenn sich ein Maß an Fürbitten in einem Reisighaufen gefüllt hat...

Bei weitem nicht alle Flurdenkmäler an Wegen müssen mit menschlichem Leid im Zusammenhang stehen, wie es folgende Begebenheit bezeugt. Es war im Sommer 1795, als Jakob Palme, ein reicher Garnhändler, mit vollgefüllter Geldkatze die Stadt Leipzig verließ. Er fuhr mit Extrapost nach Rumburg und traf dort gegen zwei Uhr nachmittags ein. Angekommen entschloss er sich, sofort die Reise auf Schusters Rappen über den Schöberpass nach Röhrsdorf fortzusetzen. Es war ein heißer Sommertag und Palme überkam in der Nähe des Breiten Steines die Müdigkeit. Er setzte sich an den Stamm einer Fichte, um auszuruhen und nickte auch sogleich ein. Unterdessen hatten sich am Himmel Gewitterwolken gebildet. Durch das Donnern aufgeschreckt, machte er sich sofort auf die Beine. Er mochte wohl noch keine zweihundert Schritte gegangen sein, als ein Blitz herniederfuhr und gerade in die Fichte, unter der er eben noch geschlafen hatte, einschlug. Aus Dankbarkeit, dass er dem Tode so glücklich entronnen, kaufte Palme das Holz der Fichte und ließ dort ein schlichtes Holzkreuz errichten.3) Es stand kaum zehn Meter von der Straße entfernt und bald entstand ein Trampelpfad dahin. Später ließ die Herrschaftsverwaltung eine zweistufige Terrasse aus den herumliegenden Steinen aufschichten, um das Kreuz darauf aufzurichten. Die Bezeichnung Hölzernes Kreuz bürgerte sich allmählich ein und wurde auch in Landkarten übertragen.Von Zeit zu Zeit wurde das Kreuz erneuert und verschwand erst nach 1945.
Kein Wunder, das Land wurde von neuen Menschen besiedelt, die zu den Kreuzen keinerlei Beziehung hatten. In der Atmosphäre des "Neuaufbaus" des Grenzgebietes, als die Staatsideologie die Vision eines bevorstehenden Schlaraffenlandes versprach, war das Kreuz zum Symbol des Obskurantismus und Reaktionismus abgestempelt worden. Kreuze und Denkmäler an Wegesrändern wurden absichtlich beschädigt oder dem allmählichen Verfall preisgegeben. Das in der Nähe vom Hölzernen Kreuz befindliche Walters Kreuz, hat einen steinernen Sockel, der nicht so leicht zu beschädigen ist. So wurde in den Nachkriegsjahren nur das eiserne Kreuz heruntergebrochen.4)
Im Laufe der Jahre blieb immer weniger übrig, was noch hätte vernichtet werden können.5) Die Zeiten änderten sich inzwischen und das berüchtigte Rad der Geschichte setzte sich wieder einmal in Bewegung. Im Jahre 1982 tauchte ein neues Kreuz an derselben Straße auf. Es war ein ganz anderes, als die seither üblichen Kreuze. Jemand befestigte es an einer hundertjährigen Buche als Erinnerung an einen tragischen Autounfall, zu dem es kaum einen Kilometer nördlich vom Hölzernen Kreuz gekommen war.6) Bis heute ist das Kreuz dort zu finden. Unter seinem Querbalken kann man an einer Schrifttafel den Namen des Opfers lesen: Antonín Kuřinec (7. 11. 1935 - 19. 3. 1982).

Die Zahl der Todesopfer, welche bei Autounfällen ums Leben kommen, nimmt von Jahr zu Jahr zu. Wer aufmerksam die Straßenränder beobachtet, kann feststellen, dass auch die Wegkreuze zunehmen. Dieses "moderne" Phänomen7) ist grenzüberschreitend und hängt mit dem wachsenden Straßenverkehr zusammen. Es widmeten sich ihm auch einige europäische Ethnographen und studierten diese Erscheinung.8) Sie stellten fest, dass die Hinterbliebenen die Erinnerung an den Umgekommenen auf die verschiedenste Weise ehren. Manchmal findet man an der Todesstelle auch nur Blumen, Kränze oder eine brennende Kerze. Es passiert auch, dass die Menschen - manchmal auch ganz fremde - frische Blumen das ganze Jahr hindurch hinlegen. Erst später werden dann an einigen dieser Orte Kreuze oder Denkmäler errichtet. Man pflegt sie besonders zu Allerseelen, genauso wie die Gräber der Verstorbenen. Manche dieser Unglücksorte werden auch an den Geburts-, Namens- oder Todestagen besucht.9)
Selbst in dieser neuzeitlichen Tradition finden wir ein Flurdenkmal, welches aus Dankbarkeit errichtet wurde. Es handelt sich um einen Gedenkstein in der Slowakei unweit von Štúrovo, welcher an eine Autohavarie erinnert, die ein Gutsbesitzer glücklich überstanden hat. Das Denkmal hat er dem hl. Christophorus geweiht. Dieser Heilige wurde besonders im Mittelalter verehrt, als er gegen Überschwemmung, Pest, Gewitter und Gefahren bei der Reise um Hilfe gebeten wurde. Im 17. Jahrhundert ist er fast in Vergessenheit geraten, aber mit dem zunehmenden Automobilverkehr im 20. Jahrhundert erfolgte unerwartet eine neue Verehrungswelle. Und dies trotz der Reform des Römischen Kalenders, die im Jahre 1969 den Kult um ihn und weitere legendäre Heiligen beschränkte.10) So kann man heute die Abbildung des heiligen Chrystophorus mit dem Christuskind, als Maskottchen mancher Autofahrer vorfinden.

Was soll man dazu sagen? Wohl nur soviel, dass die verschiedensten Gedenksteine und Wegkreuze, die in der Vergangenheit an Unglücksorten errichtet wurden, auch heute wieder aus ähnlichen Anlässen entstehen. Zur Abwendung der Unglücke wenden sich die Reisenden auch weiterhin an ihren Schutzpatron. Daran hat sowohl das Zeitalter des Atheismus, als auch die Reform des kirchlichen Kalenders nichts geändert. Vielleicht deswegen, weil diese Geschichten vom Leben selbst geschrieben werden. Glück und Unglück gehören eben untrennbar zusammen und beide können uns gleichfalls auf Reisen begegnen.

Anmerkungen und Literatur

  1. Nach dieser Mordtat begab sich Babinsky nach Polen. Er wurde im Herbst 1835 verhaftet und die Untersuchung seiner Verbrechen dauerte volle fünf Jahre, die der Delinquent in Haft verbrachte.. Der Prozess mit ihm und seiner Geliebten Apolena Hoffman begann 1840 beim Prager Kriminalgericht. Babinsky wurden sechs Verbrechen nachgewiesen, für welche er zwanzig Jahre Haft bekam. Die erste Zeit der Haft verbrachte er im Spielberger Gefängnis, nach der Auflösung dieser Strafanstalt wurde er nach Kartouzy - dem heutigen Valdice - eingeliefert, wo er den Gefängnisgarten pflegte. Im Gefängnis war er unter den Nonnen so beliebt, dass er nach seiner Entlassung die Stelle des Gärtners im Kloster der Barmherzigen Schwestern in Řepy bekam. Dort arbeitete er bis zu seinem Tode im J. 1879. Den Rest des Lebens verbrachte er friedlich, er besuchte regelmäßig die nahen Prager Gasthäuser und erzählte dort Geschichten aus seinem abenteuerlichen Räuberleben. Man kann vermuten, dass sie meistens frei erfunden waren und zur Entstehung der Legenden vom gerechten Räuber ohne Furcht und Tadel beitrugen. (N. Vandome: Encyklopedie zločinu, S. 24 - 27. Praha, Mladá Fronta 1994.)
  2. F. Meixner: Ortskunde von Preschkau, S. 87. Preschkau 1914. Es ist seltsam, dass die Heimatliteratur über Blumbergs Mörder Babinsky schweigt. Über die Anwesenheit des Räuberhauptmanns in dieser Gegend berichtet Amand Paudler, er habe sich bei Thekla Keßler in Kamnitzleiten einige Tage aufgehalten. (A. Paudler: Der neue Kammweg, S. 229. B. Leipa 1904.)
  3. Das hölzerne Kreuz von Röhrsdorf. Beiträge zur Heimatskunde. Warnsdorf 1933, S. 55-56. Bei den Altansässigen aus Morgenthau war die Örtlichkeit noch nach 1970 in Erinnerung.
  4. Es steht an derselben Straßenseite, einen Kilometer südlich vom Hölzernen Kreuz in Richtung Röhrsdorf. Die Staatsstraße wird hier von einem Bächlein durchflossen, das auch im heißesten Sommer Wasser führt. Der Bach verliert sich und kommt bald wieder zum Vorschein. Er wurde deshalb Verlorener Born genannt. Die am zierlichen Sandsteinsockel des Kreuzes befindliche Inschrift besagt, dass das Kreuz im Jahre 1876 von Joseph Walter errichtet wurde. Es handelt sich um denselben Oberförster, der auch die St.-Nepomuk-Statue an der Straße von Neuhütte nach Oberlichtenwalde stiftete (siehe die 7. Fortsetzung).
  5. Kreuze und Denkmäler verschwanden natürlich schon seit jeher und nur einige überdauerten die Jahrhunderte. An der angeführten Staatsstraße - sie wurde früher Kaiserstraße genannt - wird auf alten Karten noch das Maria-Heimsuchung-Bild, einen Kilometer südlich von Neuhütte, angeführt.
  6. Als erstes "Straßenunglücksdenkmal" stand an diesem Abschnitt wohl ein Gedenkstein zur Erinnerung an eine schwere Autohavarie. Sie ereignete sich zu Ostern 1936, als bei der Rückfahrt vom Fußballspiel unweit des Schöberpasses einige Jungbunzlauer Fußballspieler ums Leben kamen (Warnsdorfer Zeitung Hlas severu vom 16. 12. 1975). Das Denkmal wurde offenbar im Zweiten Weltkrieg zerstört und seine Lage ist in Vergessenheit geraten. Auch wenn die Verbreiterung der Schöberstraße (erstmals 1981) zur größeren Sicherheit beigetragen hat, kommt es weiterhin auf diesem Abschnitt des öfteren zu tödlichen Straßenunglücken. Das bisher letzte "Straßenunglücksdenkmal", welches hier auftauchte, befindet sich am Ortsende von Innozenzidorf unweit des Hegerhauses. Unter dem Mast liegt symbolisch ein Blech des hier dagegen geprallten Autos. Am Betonmast ist in etwa zwei Meter Höhe ein Holzkreuz mit einer schwarzen Laterne und einem Kunstblumenstrauß befestigt.
  7. Im 20. Jahrhundert entstehen Flurdenkmäler auch aus anderen "nichttraditionellen" Gründen. Bei Windisch-Kamnitz stehen zwei Denkmäler zur Erinnerung an ein Flugzeugunglück von 1972. Als im J. 1975 beim Rogalo-Fliegen der sechzehnjährige Harald Kittel in Altaussee in Österreich ums Leben kam, ließ sein Großvater am Seeufer eine kleine Kapelle errichten. Harald Kittel war ein weitläufiger Verwandter der aus dem Isergebirge stammenden Glasmacherfamilie Kittel, wonach das Dorf Kittlitz im Lausitzer Gebirge seinen Namen erhalten hat. (Schriftliche Mitteilung von Großvater Egon Kittel aus Lamersberg im J. 1976.)
  8. Siehe z. B. Köstlin: Totengedenken am Straßenrand. Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 1992, oder Ákos Kovács: Haláljelek (deutsch: "Todeszeichen"). Es handelt sich um eine reich illustrierte Publikation, die in Ungarn im J. 1990 erschien.
  9. In der Südslowakei findet man z. B. am Straßenabschnitt von Pressburg nach Rosenau/Rožňava zwanzig ähnliche Denkmäler. Alle werden sorgfältig gepflegt und das auch im Falle, wenn die Hinterbliebenen fern von der Unglücksstelle wohnen. Das Gebiet ist überwiegend von Ungarn besiedelt, da aber die Fernstraße nicht nur von Einheimischen befahren wird, sind die Denkmalinschriften nicht nur ungarisch, sondern auch slowakisch und deutsch. (Für diese Hinweise danke ich Frau Ilona Juhász aus dem Ethnographischen Zentrum in Komorn/Komárno.)
  10. Als Schutzheilige der Wege und des Reisens überhaupt wurden neben dem hl. Christophorus in der Vergangenheit auch z. B. Jakobus der Ältere oder der hl. Antonius von Padua verehrt. Dem hl. Christophorus, der heute bevorzugt wird, ist in Paris unweit von den Automobilwerken Citroën sogar eine Kirche geweiht. Der Legende nach hatte er eine Riesengestalt und hieß Offero. Er suchte den mächtigsten Herrscher der Welt, um ihm zu dienen. Als er sah, dass der König, den er für den mächtigsten hielt, Angst vor dem Teufel hat, diente er dem Teufel. Dieser fürchtete sich wiederum vor dem Kreuz. Auf Zureden eines Einsiedlers diente er von nun an dem Christus - er trug die Armen und Schwachen über einen Fluss. Einmal trug er ein kleines Kind, welches mit jedem Schritt schwerer wurde. Es war der kleine Jesus, der ihm anvertraute, dass er auf seinen Schultern die Last der ganzen Welt trage und dass Offero von nun an einen neuen Namen bekommt, nämlich Christophorus, das ist griechisch "Jesusträger". (E. Hallamová: Světci, S. 21. Praha 1996.)